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»Keinem Beamten macht Gewalt Spaß«

Polizeigewerkschafter Eckehard Goudschmidt über psychische Belastung von Polizisten, Korpsgeist und Einzelfälle

  »Keinem Beamten macht Gewalt Spaß« | Polizeigewerkschafter Eckehard Goudschmidt über psychische Belastung von Polizisten, Korpsgeist und Einzelfälle

Er hat Polizei: Eckehard Goudschmidt sitzt im Personalrat der Polizeidirektion Leipzig. Darüber hinaus kümmert er sich als stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei Sachsen um die Belange seiner Beamten. Als Gewerkschafter sprach er mit dem kreuzer über Angriffe auf Kollegen, Personalmangel und psychische Belastungen.

kreuzer: Hat der Respekt gegenüber der Polizei abgenommen?

Eckehard Goudschmidt: Der Polizeiberuf genießt noch immer einen guten Ruf, aber Übergriffe auf Polizeibeamte haben zugenommen. Das sind Extremfälle bei entsprechenden Einsatzlagen, aber auch im täglichen Streifendienst werden Kollegen Opfer von Angriffen.

kreuzer: Wie fühlt man sich da?

Goudschmidt: Das tut natürlich innerlich weh, wenn es nicht sogar ein physischer Angriff war. Man wird als Mensch missachtet, wenn auf Internetseiten publiziert wird, dass Polizisten Schweine sind und gejagt werden müssen, auch wenn sie keine Uniform anhaben.

kreuzer: Woher kommt das?

Goudschmidt: Wahrscheinlich ist das eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung des mangelnden Respekts gegenüber staatlichen Institutionen.

kreuzer: Hat sich das Polizeiimage weg vom Freund und Helfer zum Militärischen gewandelt?

Goudschmidt: Sicher hat sich unser Erscheinungsbild, gerade das der Einsatzeinheiten, geändert. Die Einheiten sichern ja nicht nur Fußballspiele und Demonstrationen ab, sondern müssen auch für die veränderte Lage, also Terrorismus, gerüstet sein. Mancher Ausrüstungsgegenstand sieht dann martialisch aus. Aber gerade wir als Gewerkschafter sind für die strikte Trennung von Militär und Polizei.

kreuzer: Fehlende Stellen werden zum Teil von Wachpolizisten übernommen. Wie sehen Sie das?

Goudschmidt: Die Entwicklung wird von uns kritisch begleitet. Der über viele Jahre betriebene Stellenabbau fällt uns jetzt auf die Füße. Der Dienstherr hat eingestanden, dass mindestens 1.000 Stellen in Sachsen fehlen. Die ersten Kollegen, die nun in Ausbildung gehen – es sollen jährlich 700 sein –, könnten frühestens 2020 zur Verfügung stehen. Die Kollegen der Wachpolizei machen das, was sie können und dürfen, sicherlich mit Herzblut. Aber es sind keine voll ausgebildeten Polizisten. Daher erteilen wir solchen Entwicklungen eine Absage.

kreuzer: Wie stellt man sich mental auf den Einsatz ein?

Goudschmidt: Man hat trotz aller Schutzausrüstung auch ein Gefühl im Hinterkopf, dass es auch mal schiefgehen könnte. Damit muss man lernen umzugehen.

kreuzer: Wie bewältigen Beamte den Einsatzdruck oder Angriffe psychisch?

Goudschmidt: Das muss leider überwiegend jeder selbst mit sich ausmachen. Und das ist gefährlich, weil es irgendwann die Gesundheit angreift. Wir haben Kollegen, wo nach Jahren der Knacks kommt und dieses Geschehen dann die Persönlichkeit beherrscht. Verdrängen hilft nicht, das muss professionell verarbeitet werden. Wir fordern seit Jahren einen psychologischen Dienst für eine entsprechende Nachbereitung. Damit ist jetzt begonnen worden.

kreuzer: Immer wieder fallen Polizisten mit rechten Ansichten auf, ein Beamter beispielsweise trug in Wurzen vor Kurzem einen einschlägigen Odinsadler. Ein anderer soll in Dresden den gewalttätigen Angriff eines AfD-Sympathisanten auf Gegendemonstranten mit den Worten kommentiert haben: »Hoffentlich schlägt er hart zu«. Chatprotokollen zufolge hat der Ex-NPD-Stadtrat Alexander Kurth engen Kontakt zu einem Leipziger Bereitschaftspolizisten. Was sagen Sie dazu?

Goudschmidt: Wir haben als Polizeibeamte neutral zu sein, schützen zum Beispiel das hohe Gut der Versammlungsfreiheit unabhängig davon, wie man persönlich dazu steht, wer da demonstriert. Wenn solche unglücklichen Geschichten ans Licht kommen, gehe ich von Einzelfällen aus. Innerhalb des Dienstes sind wir zur Neutralität verpflichtet und auch außerhalb nach Beamtenrecht gehalten, uns achtungswürdig zu verhalten. Und die Mehrheit unserer Kollegen macht das.

kreuzer: Wie fühlt es sich an, das Gewaltmonopol durchzusetzen mit dem Wissen, jemanden zu verletzen?

Goudschmidt: Es gibt keinen unter unseren Kollegen, der gern vom Gewaltmonopol Gebrauch macht. Das macht keinem Spaß. In der Ausbildung wird darauf geachtet, dass die Eingriffe so minimal wie möglich sind und das mildeste Mittel anzuwenden ist. Lieber wäre es den Kollegen, wenn unsere Kommunikationsteams die Lage anders lösen könnten. Aber das scheitert oftmals an Unverständnis oder Alkohol.

kreuzer: Wie bewerten Sie die Kritik an Polizeigewalt? Jüngst ist ein Beamter verurteilt worden, weil er zu hart gegen Anti-Legida-Proteste vorging.

Goudschmidt: Unsere Kollegen sind alle Menschen. Dass vielleicht wirklich eine Maßnahme überzogen wurde, ist unschön, kann aber vorkommen. Auch andere Berufsgruppen machen Fehler, nur ist es dort dann nicht so öffentlichkeitswirksam und tut niemandem weh. Wenn hier aber ein Kollege völlig frustriert oder vielleicht nach 14 Stunden Einsatz mal die Nerven verliert, mag das vorkommen. In Hamburg beim G20-Gipfel waren die Kollegen 20 Stunden am Stück im Einsatz.

kreuzer: Befürworten Sie eine unabhängige Beschwerdestelle?

Goudschmidt: An die Beschwerdestelle beim Ministerium können sich Bürger wie Kollegen wenden. Eine Anbindung etwa an den Landtag, wo sie völlig unabhängig ist, würden wir begrüßen.

kreuzer: Gibt es den Korpsgeist, der Anzeigen gegen Kollegen erschwert?

Goudschmidt: Der Zusammenhalt innerhalb der Polizei ist ein bisschen enger als draußen in der Gesellschaft. Aber unsere Kollegen halten sich an Recht und Gesetz. Wem eine Straftat bekannt wird, der hat eine Strafverfolgungspflicht. Das weiß jeder Polizeibeamte. Sicher ist bei den Einsatzeinheiten durch gemeinsame Einsätze ein gewisser anderer Zusammenhalt da, aber den will ich nicht als schlecht bezeichnen. Man ist auf Arbeit mit den Kollegen eben länger zusammen als mit der Ehefrau.


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