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Stadtleben

Ein Park ist kein Parkplatz

Kommentar: Die Stadt sorgt nur langsam für autofreie Fußwege

  Ein Park ist kein Parkplatz | Kommentar: Die Stadt sorgt nur langsam für autofreie Fußwege
Porträtzeichnung Tobias Prüwer
Kommentar von
Tobias Prüwer

Was sich eigentlich von selbst versteht, wird regelmäßig missachtet. Besonders wenn im Zentralstadion ein Großkonzert tobt, zeigt sich, dass »Park and Ride« ein Fremdwort ist: Zugestellte Grünflächen am Palmengartenwehr, blockierte Radwege bis zum Clara-Park, alle Kreuzungsbereiche und Fußwege sind versperrt. Mit #allesistparkplatz hat das Verhalten einen zynischen Hashtag bekommen. Falschparken sorgt auch an anderen Tagen als Störfaktor für großen Unmut. Die Stadt ist zu voll für den motorisierten Individualverkehr und die Verkehrswende kommt zu langsam. Und doch tut sich etwas, gibt das Ordnungsamt hier und dort seine Duldungspraxis auf – die offiziell so gar nicht existiert.

Rund tausend Regelverstöße am Tag werden im Amt bearbeitet. Vermehrt erreichen es Anzeigen auf digitalem Weg. Auf Twitter sammelt beispielsweise Abschleppgruppe Leipzig Fotos und leitet zur Anzeige an. Das gefällt nicht allen. Auch das Ordnungsamt hält das nicht für sinnvoll und erklärt dem kreuzer gegenüber: »Es ist gut und richtig, dass auch Privatpersonen Hinweise zu Ordnungswidrigkeiten geben. Allerdings sollten sie dies auch nur dann tun, wenn sie selbst im Einzelfall in ihrem Fortkommen gehindert werden.« Wenn aber viele Einzelfälle den Platz versperren, was soll man da als Verkehrsteilnehmer anderes tun, als alle anzuzeigen?

Den Vorwurf, nicht zu agieren, weist der Amtssprecher zurück. Allein beim Elton-John-Konzert im Mai seien 700 Fälle erfasst worden. Man wolle sich auch weiterhin auf solche »Brennpunktkonzerte« konzentrieren. Für den nächsten Haushalt sind dazu zehn Stellen mehr beantragt worden. Darüber, ob wie in Halle auch in Leipzig das Ordnungsamt zur 24-Stunden-Behörde ausgebaut wird, hat eine Diskussion begonnen.

Dem Eindruck, dass eine ortsspezifische Duldungspraxis herrsche, widerspricht das Amt. »Eine pauschale Duldung von verkehrswidrigem Verhalten gibt es nicht.« Es könne allerdings sein, so räumt der Sprecher ein, dass aufgrund baulicher Gegebenheiten oder unklarer Verkehrszeichen regelwidriges Verhalten nicht geahndet werden könne oder Schwerpunktsetzungen manches ungeahndet lassen. Das stelle aber keine willentliche Nichtverfolgung dar, ein Freibrief für die Zukunft sei das erst recht nicht.

In dieser Hinsicht tut sich etwas, wie sich letztes Jahr am Beispiel Erich-Zeigner-Allee zeigte. Hier hatte die Stadt für einen Teilbereich ein komplettes Parkverbot verhängt, nachdem über Jahre Gehwege und Straße zugeparkt waren. Nun hat das Verkehrs- und Tiefbauamt in einem Schreiben an den Bürgerverein Eutritzsch angekündigt, das Gehwegparken in der Eutritzscher Arthur-Hausmann-Straße künftig mit Bußgeldern zu ahnden. Vierzig Jahre lang war das nicht beanstandet, also geduldet worden. Dass sich Anwohnerinnen am Aus dieses Gewohnheitsrechts stören, ist verständlich. Aber Gehwegschäden und verstopfte Wege sprechen dagegen, so die zuständige Sachgebietsleiterin. Passanten, die jetzt wieder freien Lauf haben, wird es freuen. Warum diese Einsicht erst nach Dekaden reifte, bleibt offen. Die Sachgebietsleiterin hat noch einen Rat: »Nur wenn wir gemeinsam die Verkehrswende beginnen, wird es möglich sein, dass die Eutritzscher, die auf ihr Auto angewiesen sind, auch in Zukunft einen Parkplatz finden.« Das gilt für die ganze Stadt.

Foto: Christian Gundlach


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