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Stadtleben

Kein Olympiaticket für Leipziger Kanuten

Die letzten beiden Qualifikationsrennen fanden am Wochenende in Markkleeberg statt

  Kein Olympiaticket für Leipziger Kanuten | Die letzten beiden Qualifikationsrennen fanden am Wochenende in Markkleeberg statt  Foto: Leipziger Franz Anton/Foto: Lena Grützmacher

Schon morgens um neun kann man die Stimme des Stadionsprechers über den gesamten Markkleeberger See schallen hören. Beim Kanupark angekommen gesellen sich zu den Durchsagen dann das tosende Geräusch des Wassers und geschäftiges Treiben von Sportlerinnen, Trainern und Publikum. Der Kanupark-Markkleeberg liegt direkt am See und erinnert an einen reißenden Fluss, der sich um eine kleine Halbinsel schlängelt. Was ihn von einem normalen Fluss unterscheidet: die Tore, die über dem Wasser hängen, die künstlichen Wellen und die bräunliche Farbe des Wassers, die durch Metalle und Rost über die Jahre entstanden ist. Hier wird am Wochenende des 27. und 28. Aprils die Olympia-Qualifikation im Kanu-Slalom ausgetragen. Der Preis: vier Olympia-Tickets.

Vorab hatten sich vor allem drei Leipziger Kanuten Hoffnungen gemacht. Andrea Herzog, die schon mit 21 Jahren Bronze bei Olympia in Tokio gewann, rechnete sich große Chancen im Einer-Canadier aus. Franz Anton, der bereits 2018 Welt- und 2022 Europameister wurde, hatte zumindest rechnerisch noch die Möglichkeit auf seine ersten Olympischen Spiele. Außenseiter-Chancen hatte zudem Lennard Tuchscherer vom Leipziger Kanu-Club. Er hatte in Augsburg Rang fünf und drei belegt. Dort wurden ein Wochenende zuvor die ersten Qualifikationsrennen ausgefahren. Wer am Ende der der vier Rennen die insgesamt besten Platzierungen aufweist, darf zu Olympia.

Nun also die entscheidenden Läufe in Leipzig: Beim Kanu-Slalom müssen die Sportlerinnen und Sportler, wie beim Ski-Riesenslalom Tore durchqueren – entweder in Strömungsrichtung oder dagegen. Bei einer Berührung mit dem Tore gibt es zwei Sekunden Strafe, sollte ein Tor gänzlich ausgelassen oder falsch befahren werden, wird dies mit 50 Sekunden on top bestraft.

Glückliche Olympionikin
Glückliche Olympionikin: Ricarda Funk

Die erste Entscheidung fiel bereits am Samstag. Ricarda Funk vom KSV Bad Kreuznach, die schon 2020 in Tokio Olympiasiegerin wurde, holte sich das einzige Olympiaticket im Einer-Kajak (K1). Nach den beiden Rennen in Augsburg war Elena Lilik, von den Kanu Schwaben Augsburg, ihre stärkste Konkurrentin. Zwar hatte Funk an einer Stelle der Strecke eine Torstabberührung, konnte sich aber trotz zwei Sekunden Strafe mit 0,62 Sekunden Vorsprung vor Lilik durchsetzen. Am Sonntag zeigte Funk, obwohl es für sie um nichts mehr ging, erneut ein perfekter Lauf  und wurde somit in allen vier Qualifikationsrennen Erste.

Elena Lilik hingegen feierte ihren großen Triumph einen Tag später. Gegen die Leipzigerin Andrea Herzog gewann sie mit 1,59 Sekunden Vorsprung im Einer-Canadier (C1). Ein Moment, den nur der Sport schreiben kann: Lilik brach förmlich zusammen, als sie sah, dass es für Olympia reicht und ließ einen Urschrei heraus, der über das ganze Gelände zu hören war und Umstehende zu Tränen rührte. Bejubelt von Mann, Schwester und dem Sieger des K1-Finales, Noah Hegge, stand damit fest, wer ebenfalls im Sommer nach Paris fahren darf.

Hegge, ein Teamkollege von den Kanu Schwaben Augsburg, ging eine halbe Stunde vor Lilik im Einer-Kajak an den Start und lag bis zum fünftletzten Tor auf Siegeskurs. Das musste er jedoch zweimal anfahren und verlor so ungefähr fünf Sekunden, sodass es nur für Rang drei im letzten Quali-Lauf reichte. Die wirkliche Zerreisprobe begann damit erst. Stefan Hengst vom Kanu Ring Hamm gewann das letzte Quali-Rennen und verdrängte Hegges Konkurrenten Hannes Aigner vom Augsburger Kanu-Verin auf Rang zwei und gab somit Schützenhilfe. Doch das offizielle Ergebnis lies fast eine Viertelstunde auf sich warten. Das Wettkampfgericht prüfte aufgrund der knappen Ergebnisse jedes Tor erneut und spielte so mit Hegges Nerven.  »Die schlimmsten Minuten hatte ich während meines Wettkampfes. Das Warten auf das offizielle Ergebnis war schon eklig lange und irgendwie unnötig am Ende.«, sagte er danach. Für Hegge sind es die ersten Olympischen Spiele. Der 25-Jährige von den Kanu Schwaben Augsburg hat neben seiner erfolgreichen Kanu-Karriere auch ein Modelabel namens AWHU.

Die letzte Entscheidung fiel am Sonntag-Nachmittag. Der Leipziger Routinier Franz Anton (Interview in kreuzer-Ausgabe 03/24, S. 74) hatte sich schon vor dem Rennen mit einem 8., 3. und 4. Platz alle Chancen auf Olympia verspielt. Ganz hoffnungslos ging der Leipziger Kanu-Club jedoch nicht in das Rennen. Lennard Tuchscherer hätte mit einem Sieg im letzten Quali-Rennen das Olympia-Ticket lösen können. Genauso allerdings auch der Augsburger Sideris Tasiadis und Hannes Trummer und Timo Trummer aus Zeitz. Das klang schon in der Theorie nach einem spannenden Rennen – jedoch übertraf die Wirklichkeit mal wieder jede Vorstellung. Beim viertletzten Starter, Timo Trummer, lockerte sich eine Torstange, die ihn anschließend behinderte. Dies verzögerte die nachfolgenden Starts und führte nach dem eigentlich beendeten Rennen dazu, dass Trummer Protest einlegte. So hielt der Augsburger Sideris Tasiadis, der das letzte Rennen gewonnen hatte, das Olympia-Ticket quasi in der Hand, konnte sich aber nicht darüber freuen. Erst 45 Minuten später stand die Entscheidung des Wettkampfgerichtes fest: die letzten vier Starter mussten den Lauf wiederholen und das bisherige Ergebnis wurde annulliert. Eine Hiobs-Botschaft, die allen Beteiligten merklich Nerven kostete. Am besten ging Franz Anton mit der Situation um, der seine zweite Chance nutzte und den Wiederholungs-Lauf gewann. Der Leipziger Lennard Tuchscherer wurde nur Sechster. An der Entscheidung, dass Sideris Tasiadis nach Paris fährt, änderte aber auch sein 5. Platz im Wiederholungsrennen nichts. Der Vorsprung war bereits zu groß und die anderen Konkurrenten zu schwach. Bis Tasiadis sich so richtig über den Meilenstein freuen konnte, dauerte es ein wenig: »Ja, es überwiegt jetzt gerade noch die Wut, wie die Entscheidung gefallen ist. Die ganze Anspannung, die ich davor gehabt habe, ist abgefallen. Der ganze Druck der letzten Wochen war weg, das ist ja klar. Ich hatte das Ziel, als ich im Ziel war, ja eigentlich erreicht. Da ist klar, dass mein Körper sagt: ›Okay jetzt haben wir unseren Job getan, was machen wir denn weiter?‹«, erklärte Tasiadis.

Franz Anton war trotz des verpassten Olypmia-Tickets zufrieden: »Ich bin froh, dass zumindest irgendwas zustande gekommen ist. Die Saison wird eine kurze Saison – kürzer als gedacht. Man muss das Positive an der ganzen Sache sehen: Ich habe jetzt mehr Zeit mit der Familie.«  Ein wenig Wehmut bleibt trotzdem: »Ich werde nicht nach Paris zum Zugucken fahren. Das tut unglaublich weh, das habe ich schon mehrfach machen müssen und es hilft mir nicht.« So bestätigte sich leider Antons im März im kreuzer getätigte Aussage: »Nichts ist planbar und vorhersehbar.«


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