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Viktor Schklowski

Viktor Schklowski

Zoo. Briefe nicht über Liebe, oder die dritte Heloise. Aus dem Russischen von Olga Radetzkaja. Berlin: Guggolz 2022. 189 S., 22 €

Viktor Schklowski.

Es sind Liebesbriefe, die so tun, als wären sie keine. Ein russischer Emigrant im Berlin des Jahres 1922 schreibt an eine Frau, die nichts von ihm wissen will. Sie duldet die Briefe – antwortet sogar von Zeit zu Zeit –, aber nur nach Maßgabe, dass es nicht um Liebe gehen darf. Und er hält sich daran, meistens jedenfalls. Stattdessen schreibt er über literarische Zeitgenossen wie Andrei Bely und Marina Zwetajewa, über Autos, über Bücher, über einen Besuch im Varieté. Viktor Schklowski war einer der einflussreichsten Literaturtheoretiker der russischen Avantgarde, ein Mitbegründer des russischen Formalismus, der die technischen »Verfahren« von literarischen Texten analysierte. »Konterrevolutionärer Umtriebe« bezichtigt, musste er 1922 aus Leningrad fliehen, über Finnland gelangte er nach Berlin, wo er ein gutes Jahr blieb. In dieser Zeit entstand auch »Zoo« – ein eigentümliches Buch. Neben dem unglücklichen Briefeschreiber und seiner Angebeteten ergreift Schklowski selbst das Wort. Der Briefroman ermöglicht Sprünge und Brüche, Ton- und Stilwechsel. Entstanden ist eine flirrende Sammlung von Texten, in der ein skurriles Märchen ebenso Platz hat wie das Heimweh des Emigranten. Alles, wirklich alles kann Teil von Schklowskis Roman werden. Dass es die unglückliche Liebe tatsächlich gab – von wegen alles nur »Verfahren« –, erläutert das aufschlussreiche Nachwort der Übersetzerin Olga Radetzkaja. Der Anmerkungsapparat erleichtert den Zugang zum russischen Berlin der 1920er Jahre. Den schön gestalteten Band beschließt ein Essay des Schriftstellers Marcel Beyer, in dem er über sein Verhältnis zu Schklowski nachdenkt und über dessen große Bedeutung als Autor. Maurus Jacobs


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