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Kultur

Dystopie und Trompetenanemonen 

Das Off-Europa-Festival zeigt unterm beunruhigenden Motto »Schöne Neue Welt« Performance, Puppentheater, Tanz und Schauspiel 

  Dystopie und Trompetenanemonen  | Das Off-Europa-Festival zeigt unterm beunruhigenden Motto »Schöne Neue Welt« Performance, Puppentheater, Tanz und Schauspiel   Foto: Matthias Wäckerlin

Von »Antigone« bis zum buchstäblichen Ende fächert die diesjährige Ausgabe von Off Europa ein ganzes Panorama an dystopischen Momenten auf. Das Leitmotiv »Schöne Neue Welt« verweist nicht umsonst auf Aldous Huxleys düsteren Science-Fiction-Roman. Das Festival hat sich vom Konzept der Länderschwerpunkte endgültig gelöst und zeigt jetzt kleine und große Arbeiten aus ganz Europa. »Du bist im Kopf offener, wenn du nicht auf ein Land beschränkt bist, es ergibt sich aber umso stärker die Verpflichtung, gute Sachen zu finden«, bilanziert Festivalleiter Knut Geißler die Veränderungen. 

Off Europa öffnet sich auch ästhetisch. Dominierte früher oft der Tanz – auch ein Zugeständnis an Sprachbarrieren –, zieht Vielfalt ein: neben Tanz auch Puppenspiel, Sprechtheater und erstmals ein Familienstück. 

»Solidarity!« der schweizerischen Company Rebecca Weingartner liefert einen Gegenentwurf zur Trübnis. Zwei Tanzende und ein Musiker laden zum bunten Abend, bei dem die jungen Zuschauerinnen und Zuschauer gerne selbst anpacken dürfen. Noch wilder geht es wohl bei »Vzduch« (»Luft«) zu, einer Art Mega-Ritual mit großem Maskenspiel und Objekttheater. Die tschechische Gruppe Tabula Rasa – ein Zusammenschluss von Alumni der Prager Hochschule DAMU – zeigt das Stück als eine der drei deutschen Erstaufführungen, die das Festival nach Leipzig bringt, das erneut auch in Dresden und Chemnitz stattfindet. 

Für die düstere Deutschlandpremiere von »I Psychi Tis Antigonis« (»Die Psyche der Antigone«) der serbischen Gruppe Plavo Pozorište lieferte neben Sophokles vor allem Virginia Woolf den Stoff. Böses Clownsspiel trifft an diesem durchrüttelnden Abend auf Tragödie und Gebärdendolmetschen. Ein sanfter Kontrapunkt ist da »Old Pond«, ebenfalls erstmals in Deutschland zu sehen. Das Stück von Zsuzsa Rózsavölgyi erforscht tanzend das Leben in einem alten Teich, wo es zwischen Trompetenanemonen und Fischen ein großes Unterwasserbiotop zu entdecken gibt. Eine schräge neue Welt, die auch dem Utopischen für den Menschen einen Platz gibt. Dass solch ein Stück im autoritären Ungarn entstanden ist, wo solche gelebten utopischen Räume kleiner werden, ist sicherlich kein Zufall. 

Insgesamt sieben Produktionen sind im Lofft, in der Nato und dem Theater der Jungen Welt zu sehen. Neben genannten Stücken gibt es Dokumentartheater zu einem brasilianischen Minenunglück, Puppentheater über den Atomkrieg und das abschließende Tanzstück »The End«. Danach kann nichts mehr kommen – bis zum Off Europa im nächsten Jahr. 

> Off Europa, 22.–28.4., Lofft, Nato, Theater der Jungen Welt, verschiedene Orte in Chemnitz und Dresden, www.offeuropa.de 


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